Am 29. September 2025 begann alles –
zumindest das, was ich später „die Tage danach“ nennen würde.
Ein Dienstag. Kein besonderer Tag. Kein Feiertag.
Nur ein Tag wie viele andere.
Und doch spürte ich schon am Morgen, dass etwas in der Luft lag, das sich kaum beschreiben ließ.
Ein Summen vielleicht – leise, kaum hörbar – das beim ersten Kaffee auftauchte und wieder verschwand, sobald die Tasse meine Lippen berührte.
Ich schrieb alles nieder.
Weil ich ahnte, dass diese Tage seltsamer werden würden, als ich es je für möglich gehalten hätte.
Erwarten Sie nicht zu viel.
Mit bescheidener Erwartung sollten Sie die nächsten Seiten aufschlagen.
Ich könnte vieles versprechen – eigentlich alles –
doch ehrlich gesagt weiß ich, was auf Sie zukommt.
Sie aber noch nicht.
Und glauben Sie mir: das ist gut so.
Günther – ich nenne ihn bewusst so, weil er wirklich so heißt – ist gerade nicht zu Hause.
Keine Wohngeräusche. Also darf ich davon ausgehen.
Für die Geschichte spielt das kaum eine Rolle.
Dennoch gehört es sich der Ordnung halber, diesen Umstand zu erwähnen.
In der Ruhe – Ruhe ist die Abwesenheit von Lärm –
genieße ich es, zu Papier zu bringen, was sich mir offenbarte.
Ich überlegte, was wohl das Vernünftigste wäre, da mich meine Frau für einige Stunden zum Strohwitwer gemacht hat.
Lange überlegen gehört nicht zu meinen Stärken.
Entscheidungen treffe ich aus dem Bauch –
der in den letzten Jahren erstaunlicherweise kleiner geworden ist.
Das sollte sich bitterlich rächen, angesichts dessen, was nun folgen würde.
Hätte ich geahnt, was in den nächsten Stunden geschieht,
ich hätte mich besser mit meinen Hunden auf die Couch gelegt
und einen alten Film angesehen, den ich längst vergessen hatte.
Kaum hatte ich mich niedergelassen, vernahm ich ein leises Kratzen an der Haustür.
Meine Hunde erhoben sich sofort. Ohren gespitzt, Augen groß.
Sie starrten die Tür an, als hätten sie beschlossen, dass heute kein Tag für Freundlichkeit sei.
Ich starrte auch.
Und je länger ich starrte, desto deutlicher spürte ich: gleich würde etwas geschehen, das ich nicht vorhersehen konnte.
Die Tür öffnete sich langsam. Fast feierlich.
Und da stand er: ein Kühlschrank. Aufrecht. Vollständig intakt.
Nicht umgestürzt. Nicht kippelig.
Wie ein Wachposten, dessen Tür leicht geöffnet war, aus der ein schwaches Licht schimmerte.
Die Hunde erstarrten.
Der eine rückwärts tappend, als hätte er vergessen, wie man sich bewegt.
Ich selbst starrte stumm, während der Kühlschrank summte –
fast wie das Flüstern eines alten Bekannten.
Und dann glaubte ich Worte zu erkennen:
„Setz dich. Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen.“
Die Hunde rückten näher.
Sie prüften vorsichtig den Kühlschrank.
Der Eiswürfel, der zuvor in meiner Hand getanzt hatte, sprang nun auf einen Miniatur-Schreibtisch.
Er begann, Buchstaben zu zeichnen, die ich nicht lesen konnte –
und doch verstanden:
„Alles, was beginnt, geschieht gleichzeitig.“
Ich lachte. Die Hunde bellten.
Die kleine Gestalt auf dem Mini-Sofa nickte.
Als hätte sie alles geplant.
Obwohl ich überzeugt war, der einzige Planer zu sein.
Dann begann die Kiste sich zu vervielfältigen.
Zuerst zwei, dann vier, schließlich ein halbes Dutzend.
Jede mit eigenem Mini-Sofa. Eigenen Figuren. Eigenen Objekten.
Stimmen vervielfachten sich, widersprachen und ergänzten sich zugleich.
Mein Herz schlug schneller – nicht aus Angst, sondern aus Staunen.
Ich war Zeuge einer Welt, die mir fremd und vertraut zugleich war.
Die Hunde liefen über die wachsende Landschaft der Kisten.
Das Miniaturfahrrad drehte Runden.
Ein kleiner Tisch tanzte elegant.
Die Figuren begannen, Reigen zu tanzen – absurd präzise,
ein Muster, das nur die Miniaturwelt kannte.
Dann öffnete sich die kleinste Kiste vollständig.
Ein winziger Vorhang fiel, und ein winziger Erzähler erschien – kaum größer als ein Finger:
„Du dachtest, du würdest nur beobachten.
Aber jetzt bist du Teil des Stücks.
Alles, was du siehst, hat gewartet, dass du es bemerkst.“
Und schließlich die dritte Stufe:
Die Kisten, die Figuren, die Hunde, der Eiswürfel, die Lampe, der Raum selbst –
alles begann zu verschmelzen.
Miniaturwelten wuchsen, ihre Grenzen verschwammen.
Die Stimmen vereinten sich zu einem Summen, das die Realität erzittern ließ.
Die Kisten öffneten sich wieder und wieder.
Immer neue Miniaturräume, immer neue Figuren, die gleichzeitig tanzten, sprachen, dirigierten.
Ich war mitten drin.
Strohwitwer. Beobachtend. Staunend. Lachend.
Während die Grenzen von Zeit, Raum und Materie sich auflösten.
Dann, in diesem letzten Moment, erklang ein einzelnes Wort.
Klar und doch von überall zugleich:
„Willkommen.“
Ich saß da, auf der Couch, die Hunde zu meinen Füßen,
inmitten einer Welt, die ich niemals verstehen würde.
Und wusste: Die Tage danach hatten nicht nur begonnen –
sie hatten sich verselbstständigt.
Alles war absurd. Alles war logisch. Alles war gleichzeitig.