Mittwoch, November 26, 2025

26. November 2025 – Am gefrorenen Rand

Der Morgen ist hart geworden. Der Frost liegt wie Glas über allem, und jeder Schritt klingt, als würde die Welt selbst knacken.

Doch in dieser Brüchigkeit findet sich eine unerwartete Würde. Nichts versteckt sich mehr. Alles zeigt sich, wie es ist: verletzlich, schimmernd, wahr.

Ich atme tief ein, und die Kälte schneidet. Doch sie reinigt auch. Und irgendwo darin beginnt etwas Neues zu vibrieren — zaghaft, aber bestimmt.

Haiku 101 – Hüllung

Morgen trägt ein Grau,

zart wie ungeweinte Tränen —

Zeit hält seinen Arm.


Haiku 100 – Strich

Ein heller Riss Wind,

schneidet durch die stille Luft —

neuer Tag, so dünn.


Dienstag, November 25, 2025

25. November 2025 – Im Spiegel der Kälte

Der Frost hat die Welt klar gemacht. Kein Schleier, kein Wind, keine Flucht. Nur reine Linien, die sich ohne Ausrede zeigen.

Ich sehe mein Spiegelbild im gefrorenen Wasser. Es wirkt fremd und vertraut zugleich — wie ein alter Freund, der lange fort war. Und ich ahne: Die Kälte, die ich fürchte, ist oft nur die Klarheit, die ich vermeide.

Doch in der Klarheit liegt ein Anfang. Immer.

Haiku 099 – Schritt

Ferne Schritte hallen,

als ginge jemand neben mir —

der ich einst gewesen.


Haiku 098 – Blaugrau

Winterluft im Tal,

mischt sich mit geschmolznen Träumen —

Himmel ohne Rand.

Haiku 099 – Schritt

Ferne Schritte hallen,
als ginge jemand neben mir —
der ich einst gewesen.

Prosa 25. November 2025 – Im Spiegel der Kälte
Der Frost hat die Welt klar gemacht. Kein Schleier, kein Wind, keine Flucht. Nur reine Linien, die sich ohne Ausrede zeigen.

Ich sehe mein Spiegelbild im gefrorenen Wasser. Es wirkt fremd und vertraut zugleich — wie ein alter Freund, der lange fort war. Und ich ahne: Die Kälte, die ich fürchte, ist oft nur die Klarheit, die ich vermeide.

Doch in der Klarheit liegt ein Anfang. Immer.

Montag, November 24, 2025

24. November 2025 – Am vereisten Abend

Der Abend wirkt heute wie ein Schleier, der über die Dinge fällt, ohne sie zu verdecken. Vielmehr macht er sie durchsichtiger — als könnten sie plötzlich frei atmen.

Ich sitze draußen auf der Stufe, die Hände kalt, die Gedanken warm. Und in der Ferne höre ich einen Vogel rufen, spät, fehl am Platz, und doch vollkommen richtig im eigenen Rhythmus.

Manchmal genügt ein einziger falscher Ton, um uns an unsere eigene Melodie zu erinnern.

Haiku 097 – Hauchlicht

Schimmer ohne Form,

treibt im trägen Abendwind —

Licht vergisst sich nicht.


Haiku 096 – Fernruf

Ein Ruf im Dunstmeer,

verfliegt und bleibt doch zurück —

Klang aus grauer Zeit.


Sonntag, November 23, 2025

23. November 2025 – In der Tiefe der Wolken

Die Wolken liegen tief heute, so tief, dass sie die Erde fast berühren. In ihrer Schwere liegt ein Versprechen: Ruhe, nicht Druck. Sammlung, nicht Last.

Ich bleibe stehen und sehe in dieses bleiche, atmende Dach über mir. Und plötzlich spüre ich, dass auch ich so werden darf: schwer, aber nicht bedrückt; ruhig, aber nicht erstarrt.

Die Welt trägt uns, auch wenn sie schweigt.

Haiku 095 – Trübung

Wolken hängen schwer,

verblassen in Nebellicht —

Tag sucht seinen Klang.


Haiku 094 – Halmsang

Ein Halm neigt im Wind,

schreibt im Frost ein feines Lied —

Stille lauscht darin.


Samstag, November 22, 2025

22. November 2025 – Unter dem späten Licht

Die Sonne steigt kaum noch. Sie scheint nur noch die Erinnerung an ihr eigenes Licht zu tragen. Und doch ist ihr Schein, so flach und flüchtig er fällt, ein Trost: Licht bleibt Licht, selbst wenn es leiser wird.

Ich schaue auf meine eigene Spur im Boden. Sie wirkt zögerlich, brüchig — doch sie ist da. Und plötzlich begreife ich: Es braucht keine Klarheit, um weiterzugehen. Nur die Bereitschaft, den nächsten Schritt zu setzen.

Haiku 093 – Spuren

Schritt in kalter Erde,

vom Nachtfrost halb verwischt —

doch er bleibt ein Weg.


Haiku 092 – Glanzrand

Ein Funken im Gras,

gefangen im Morgenfrost —

kurzer Ewigkeitsblick.


Freitag, November 21, 2025

21. November 2025 – In der sinkenden Helle

Der Tag verliert sein Licht, als wäre es ein Kleid, das er mit Milde ablegt. Die Helligkeit sinkt nicht abrupt, sondern wie in einem langen Atemzug, der sich in den Horizont ergießt. Alles wird weich, ein wenig verschwommen, doch niemals leer.

Ich gehe am Fluss entlang, der fast reglos daliegt. Nur an der Oberfläche bewegt sich ein feiner, unbeirrter Strom. Und ich erkenne mich darin: auch wenn die Welt stillsteht, fließt etwas weiter — innen, verborgen, warm.

Haiku 091 – Kerbe

Im morschen Holzgrund

zeichnet Frost ein zartes Bild —

Wunden werden Kunst.


Haiku 090 – Atemfrost

Feiner Silberhauch,

über Zweigen lastet Nacht —

Stille trägt den Tag.


Donnerstag, November 20, 2025

20. November 2025 – Am Rand des Winters

Heute spüre ich, wie der Winter näher rückt. Nicht mit Härte, sondern mit einer sanften Hand, die die Welt berührt und langsam verwandelt. Die Farben treten zurück, die Konturen werden klarer, und der Atem wird zu einem feinen Rauchband, das mich begleitet.

Ich sehe in der Ferne das erste Weiß — nicht Schnee, sondern ein Schleier von Frost, der wie ein Versprechen wirkt. Ein leises, kühles Versprechen, dass selbst die Stille ein Zuhause sein kann.

Und hinter all dem Grau glimmt ein Licht, das nicht erlischt. Nie.

Haiku 089 – Wintertor

Eis am alten Zaun,

schimmert wie ein leiser Gruß —

Welt bereitet sich.


Haiku 088 – Kreisung

Ein Blatt, das im Wind

eine letzte Runde zieht —

unvollkommen schön.


Mittwoch, November 19, 2025

19. November 2025 – In der Nähe des Schweigens

Heute scheint die Welt kaum mehr als ein Hauch zu sein. Selbst die Geräusche scheinen im eigenen Nebel zu versinken. Und dennoch ist darin kein Verlust, sondern ein anderes Hören: ein Lauschen auf das, was bleibt, wenn alles andere leiser wird.

Ich sitze auf einer Bank, die vom Frost glitzert, und betrachte den Atem, der in kleinen Wolken vor mir steht. Jeder Hauch ist ein Beweis: dass ich bin, dass etwas in mir warm genug ist, um sichtbar zu werden.

Manchmal reicht das.

Haiku 087 – Stillruf

Ruf einer Amsel,

verweht in der grauen Luft —

trotzdem bleibt ihr Klang.


Haiku 086 – Zunder

Ein Funke im Holz,

flackert, ehe er erlischt —

Wärme sucht Gestalt.


Dienstag, November 18, 2025

18. November 2025 – Unter dem bleichen Atem

Der Tag trägt eine tiefe Müdigkeit, die nicht bedrückt, sondern wie eine Decke wirkt. Das Licht fällt flach über die Felder, und der Horizont verwischt in feinen Tönen von Grau und Silber.

Ich spüre die Welt atmen — langsam, tastend, fast unsicher. Und zwischen diesen Atemzügen liegt eine Stille, die mich nicht erfüllt, sondern mich leer macht, damit ich überhaupt wieder fühlen kann.

Die Kälte dringt in meine Haut, aber nicht in mein Herz. Dort bleibt ein kleiner, warmer Punkt zurück, der den ganzen Tag lang nicht vergeht.

Haiku 085 – Atemglas

Mein Hauch malt ein Bild,

das sich wieder auflöst —

Wärme gegen Kalt.


Haiku 084 – Falte

Wind legt eine Spur

in den stillen Blätterteppich —

Zeit faltet den Tag.


Montag, November 17, 2025

17. November 2025 – Im leisen Rückzug

Der Morgen zieht sich zurück wie ein scheues Tier. Nichts drängt, und doch scheint alles in Bewegung — langsam, tief innen. Die Kälte hat einen anderen Klang bekommen, fast sanft, fast tröstend.

Ich gehe über eine Wiese, die vom Frost hart geworden ist. Unter meinen Schritten splittert ein feines Lied aus Eis. Und in diesem Klang erkenne ich etwas Uraltes: die Gewissheit, dass alles Leben überdauert, indem es sich zurücknimmt.

Der Himmel bleibt grau, doch am Rand des Blicks liegt ein dünnes Licht, das nicht vergeht.

Haiku 083 – Schimmer

Fern ein stiller Schein,

als brenne im Nebelraum

ein ungehörtes Lied.


Haiku 082 – Dämmerpfad

Schritte im Halblicht,

blass die Spur im nassen Moos —

Tag sinkt ohne Hast.


Sonntag, November 16, 2025

16. November 2025 – Im stillen Atem des Übergangs

Kein Tag, kein Nacht. Nur Schweben.
Die Welt hält den Atem an, und in dieser Pause atmet das Unsichtbare.
Ein Blatt hängt noch — zitternd, festhaltend, unwissend.
Dann löst es sich.

Kein Wind. Kein Laut. Nur das sanfte Fallen.
Und dieses Fallen — es ist kein Verlust. Es ist Heimkehr.
Denn alles, was fällt, fällt in die Hände der Zeit.
Und die Zeit, so still sie auch scheint, trägt uns.

Haiku 081 – Übergang

Licht im Nebelmeer,

löst sich, ohne zu verliern —

Frieden ohne Form.

Haiku 080 – Schwebe

Zwischen Blatt und Fall

hält die Welt den Atem an —

Zeit verlernt Gewicht.



15. November 2025 – Am Rand des Wartens

Ich spüre, wie der Monat sich sammelt, als würde er Atem holen vor dem großen Fallen. Alles scheint in Vorbereitung — die Bäume, der Himmel, selbst der Schlaf.

Vielleicht ist dies die Schwelle, an der Stille zur Gebärde wird. Eine langsame Geste der Hingabe an das, was kommt. Und irgendwo in diesem Schweigen keimt schon das Leuchten des Advents — nicht hell, nicht laut, aber da.

Haiku 079 – Regenlicht

Fenster träumt im Grau,

eine Lampe brennt darin —

Wärme wider Kälte.


Haiku 078 – Schwelle

Tür bleibt halb geöffnet,

Wind streift über alte Haut —

Zeit hält kurz den Schritt.


14. November 2025 – Unter schweigenden Himmeln

Die Tage fließen ohne Kante, weich und formverloren. Zwischen Morgen und Abend liegt kaum mehr Unterschied. Doch gerade in dieser Gleichheit finde ich Trost — weil sie erlaubt, nichts sein zu müssen. Nur da zu sein.

Ein Kind lacht irgendwo. Der Ton trägt weit im Nebel. Es klingt wie ein Versprechen, das niemand laut ausgesprochen hat — und doch in uns allen wohnt.

Haiku 077 – Atemzug

Ein Kind haucht ins Glas,

zeichnet Kreise, löscht sie fort —

Leben bleibt im Dunst.


Haiku 076 – Grau

Himmel ohne Rand,

alles schwebt im Übergang —

Tag verlernt den Glanz.


Donnerstag, November 13, 2025

13. November 2025 – Am Rand des Vergessens

Ich sitze am Feuer, und das Knistern erinnert mich an Stimmen, die längst verklungen sind. Der Rauch zieht aufwärts, verwebt sich mit dem Abend. So lösen sich auch Erinnerungen — nicht verschwinden sie, sie steigen nur höher, ins Unsichtbare.

Vielleicht ist Erinnerung kein Besitz, sondern eine Bewegung: etwas, das uns verlässt, um uns zugleich zu tragen. Und manchmal — in einem flackernden Moment — kehrt sie zurück als Licht auf unserer Haut.

Haiku 075 – Flamme

Im Kamin ein Laut,

wie von altem Holz erzählt —

Wärme aus der Zeit.


Haiku 074 – Faden

Spinne webt ihr Netz,

zwischen zwei vergessnen Zweigen —

Licht fängt sich darin.


Mittwoch, November 12, 2025

12. November 2025 – In den Gärten der Müdigkeit

Heute liegt eine sanfte Erschöpfung über der Welt. Selbst die Farben scheinen müde, als wollten sie sich hinlegen auf das graue Tuch der Zeit. Ich gehe langsam durch einen verlassenen Park, und alles flüstert vom Ende.

Aber in der Mitte dieses Endes ruht etwas Kostbares: ein Gefühl von Frieden. Der November bringt keine Tränen, er bringt die Einsicht, dass jedes Vergehen ein Teil des großen Atems ist.

Haiku 073 – Kerngold

Apfel fällt, zerspringt,

sein Duft bleibt noch im Schatten —

Süße Nachklangzeit.


Haiku 072 – Schleife

Wind dreht altes Laub,

als übte er Erinnerung —

Tanz der Vergängnis.


Dienstag, November 11, 2025

11. November 2025 – Im Schweigen des Lichts

Es ist ein Tag aus Glas. Alles schimmert, doch nichts klingt. Der Frost hat selbst den Atem der Erde gefangen, und in dieser Starre offenbart sich eine seltsame Schönheit — die Schönheit des Aushaltens.

Ich bleibe stehen und sehe, wie das Licht in winzigen Kristallen spielt. Es ist kaum Bewegung, kaum Leben — und doch, etwas darin lebt. Vielleicht ist es das, was Hoffnung wirklich meint: nicht der Ausbruch, sondern das stille Beharren im Dasein.

Haiku 071 – Ferne

Horizont erbleicht,

ein letzter Vogel schweigt dort —

Abschied ohne Wort.


Haiku 070 – Frost

Zweig trägt stillen Glanz,

Eiskristalle singen leis —

Tag atmet im Blau.


Montag, November 10, 2025

10. November 2025 – Am Rand der Erinnerung

Heute hallt die Welt. Jeder Klang trägt Spuren von Vergangenem — das Lachen, das nicht mehr klingt, der Weg, der endete. Doch in der Tiefe jedes Verlustes liegt auch eine Tür: wer hindurchgeht, findet Stille, und wer in der Stille bleibt, erkennt sich selbst.

Und aus dieser Erkenntnis wächst, fast unmerklich, Hoffnung.

Haiku 069 – Klang

Fern die Glocke ruft,

durch den Nebel unbeirrt —

Zeit verliert ihr Maß.


Haiku 068 – Schweigen

 Ein Hund bellt im Tal,

dann wieder nichts als Stille —

Herz hört weiter zu.


Sonntag, November 09, 2025

9. November 2025 – Hinter dem Grau

Der Morgen trägt kein Gesicht. Alles ist Schleier, Atem, Gedächtnis. Und doch: In dieser formlosen Welt ist jedes Geräusch ein Zeichen des Lebens. Der eigene Atem, das ferne Rufen eines Vogels — Beweise, dass wir noch da sind.

Vielleicht ist das genug. Vielleicht muss man im Grau nur lange genug stehen, um das Licht darin wiederzufinden.

Haiku 067 – Atem

Mein Hauch steigt empor,

verliert sich im Nebelmeer —

doch bleibt er ein Teil.


Haiku 066 – Bruch

Ast splittert im Frost,

der Klang bleibt lange im Wind —

Zerfall klingt nach Lied.


Samstag, November 08, 2025

8. November 2025 – Im Zimmer der Dämmerung

Die Dunkelheit kommt früher jetzt, als wolle sie sich selbst ausbreiten über das, was war. Ich sitze am Fenster, sehe das Licht verlöschen, und höre, wie der Regen leise erzählt.

Im Zimmer der Dämmerung ist nichts laut. Doch in dieser Lautlosigkeit beginnt die Seele zu flüstern. Sie spricht von Frieden, nicht vom Ende. Vom Ruhen, nicht vom Verschwinden.

Und draußen, hinter den Wolken, bleibt das Licht. Geduldig.

Haiku 065 – Kreis

Ein Blatt dreht sich sacht,

im Strudel eines Bachs fort —

Kreise schließen sich.


Haiku 064 – Wachs

Kerze tropft ins Glas,

Wachs fließt wie vergangne Zeit —

duftend, warm und still.


Freitag, November 07, 2025

7. November 2025 – Im Rückgrat der Tage

Manchmal scheint der November kein Monat, sondern eine Prüfung zu sein. Die Bäume stehen nackt, die Erde schweigt, und selbst die Gedanken sind schwer geworden. Doch irgendwo zwischen Kälte und Müdigkeit wächst etwas Unerwartetes — eine stille Stärke, die nichts beweisen muss.

Der Himmel bricht auf für einen Atemzug, und durch den Spalt fällt ein Strahl aus reinem Licht. Es reicht, um weiterzugehen.

Haiku 063 – Flügel

Im Nebel ein Schwarm,

zieht lautlos nach Norden fort —

Licht folgt ihrer Spur.


Haiku 062 – Tau

Kalter Tau im Gras,

wie Tränen, die verweilen —

morgen schmilzt ihr Glanz.


Donnerstag, November 06, 2025

6. November 2025 – Unter blassen Himmeln

Die Sonne zeigt sich kaum noch, und doch spüre ich ihr Dasein wie ein fernes Atmen über dem Grau. Alles ist in sanftes Schweigen gehüllt. Die Farben sind fort, die Welt hat sich in Nuancen aus Licht und Erinnerung verwandelt.

Ich sehe einen alten Mann am Straßenrand stehen. Er schaut nicht, er lauscht — vielleicht auf etwas, das die Zeit selbst verschluckt hat. Und plötzlich begreife ich: Wer still genug wird, hört das Leben selbst zwischen den Atemzügen weiterfließen.

Haiku 061 – Glas

Kalter Fensterschein,

Hauch der Stille bleibt daran —

ein Blick ins Draußen.


Haiku 060 – Schleier

Morgenhauch im Tal,

verliert sich im fahlen Licht —

Tag erwacht nur halb.


5. November 2025 – Am Tor des Winters

Ein Frosthauch zieht über die Felder, und das Licht ist so dünn, dass es fast durchsichtig scheint. Jeder Baum wirkt wie eine Erinnerung, die sich weigert zu vergehen. Ich spüre, wie die Welt in eine andere Ordnung übergeht — ruhiger, klarer, entkleidet von allem Überflüssigen.

Im Tor des Winters steht kein Wächter. Nur Stille. Doch in dieser Stille ruht eine unausgesprochene Einladung: hinüberzugehen, in das Ungewisse — mit offenen Augen und einem stillen Herzen.

Haiku 059 – Tor

Ein Krähenruf hallt,

über Felder ohne Ziel —

Tag sinkt in sich selbst.


Haiku 058 – Schattenpfad

Schritte im Nebel,

verschwimmen im feuchten Grund —

Zeit wird zu Atem.


Dienstag, November 04, 2025

4. November 2025 – Im Atem der Stille

Der Tag beginnt mit einem Schweigen, das nicht leer ist, sondern gefüllt von einem fast heiligen Stillstand. Nichts drängt, nichts flieht. Nur das Licht tastet sich vorsichtig an den Rand der Welt.

Ich höre mein eigenes Herz, spüre, wie langsam alles geworden ist — und wie notwendig. Vielleicht ist das die Weisheit des Novembers: nicht mehr zu eilen, sondern sich dem Fluss zu überlassen, der in die Tiefe führt. Und dort, ganz unten, schläft das Neue, verborgen wie ein Samenkorn unter kalter Erde.

Haiku 057 – Ferne

Hinter grauem Dunst

ruft ein unsichtbares Land —

Sehnsucht trägt den Klang.


Haiku 056 – Blattgold

Wind spielt mit dem Rest,

der vom Herbst geblieben ist —

ein leises Verglühn.


Montag, November 03, 2025

3. November 2025 – Am Rand des Lichts

Heute ist der Himmel klarer, aber das Licht hat eine Kälte, die nicht wehtut, sondern nur erinnert. Die Farben sind verschwunden, und was bleibt, ist reine Form. Ich gehe langsam durch den Wald, und der Frost knistert unter meinen Schritten.

Manchmal glaube ich, der November sei keine Zeit, sondern ein Zustand: das Schweigen nach einem Lied, das noch im Herzen nachhallt. Doch in diesem Schweigen liegt Trost. Denn wo nichts mehr laut ist, kann das Herz sich selbst wieder hören.

Ein Vogel ruft in der Ferne. Es klingt wie eine Frage — und zugleich wie eine Antwort.

Haiku 055 – Riss

Zwischen zwei Sekunden

öffnet sich ein tiefer Riss —

daraus wächst das Licht.


Haiku 054 – Stein

Kalter Stein im Bach,

spiegelt grauen Himmel still —

Zeit rinnt über ihn.


Sonntag, November 02, 2025

2. November 2025 – Zwischen Asche und Licht

Ein feiner Regen fällt seit dem Morgen. Er hat etwas Reinwaschendes, als wolle er das Laub von den Schultern der Welt spülen. Die Stunden dehnen sich, tragen kaum Gewicht, und dennoch scheint in jeder ein verborgenes Pochen zu liegen — das Herz der Erde, das weiter schlägt, auch wenn der Himmel schweigt.

Ich zünde eine Kerze an und sehe, wie ihr Licht im Fenster flackert. Der Wind will sie löschen, doch sie hält stand, still und unbeirrbar. Vielleicht ist das der Sinn des Novembers: zu lernen, wie man mit kleinem Licht durch große Dunkelheit geht.

Haiku 053 – Glut

Letztes Feuer glimmt,

ein Hauch von Sommer verweht —

Erinnerung ruft.


Haiku 052 – Regen

Tropfen schlagen sacht,

Fensterscheiben träumen grau —

Stille spricht im Glas.


Samstag, November 01, 2025

1. November 2025 – Im Schatten des Novembers

Die Luft ist schwer von Nebel, und das Licht hat sich verändert. Es kommt nicht mehr von oben, sondern scheint aus der Erde selbst zu steigen — gedämpft, alt, fast erinnernd. Die Tage sind still geworden, und selbst die Geräusche klingen gedämpft, als wagten sie kaum, den Schlaf der Welt zu stören.

Ich gehe durch den Garten, in dem nichts mehr wächst. Und doch, zwischen den welken Stängeln, sehe ich kleine Funken Leben — ein grüner Halm, der dem Frost trotzt, ein Käfer, der noch einmal den Weg über den Stein sucht. Vielleicht liegt darin das eigentliche Wunder: dass selbst der Rückzug ein Teil des Lebens ist.

Und während der Nebel dichter wird, spüre ich, dass in seinem Schweigen kein Ende liegt, sondern ein Warten — als hielte die Welt den Atem an, um das Unvermeidliche sanft willkommen zu heißen.

Haiku 051 – Schwelle

Zwischen Nacht und Tag

liegt ein kaum sichtbarer Traum —

Welt hält kurz den Atem.


Haiku 050 – Dunst

Kalter Morgenwind,

auf den Feldern ruht der Dunst —

Erde atmet still.