Freitag, Dezember 05, 2025

5. Dezember 2025 – Am Rand der Dämmerung

Der Abend kommt früh, als wäre er müde. Und doch ist in ihm ein Trost: Lichter werden wichtiger, kleiner, näher.

Ich gehe durch die Straßen und sehe in manchen Fenstern eine einzelne Kerze stehen. Und diese kleinen Flammen tragen mehr Wärme als der Tag.
Vielleicht brauchen wir die Nacht, um zu erkennen, wer wir sind, wenn es dunkel wird.

Haiku 119 – Glühtraum

Fenster glimmt im Grau,

ein kleines Licht trotzt der Nacht —

Mensch gegen das All.


Haiku 118 – Flut

Nebel steigt empor,

schluckt die letzten Farbreste —

Abend wird zu Meer.


Donnerstag, Dezember 04, 2025

4. Dezember 2025 – Im sanften Fallen

Heute fällt der Schnee so zärtlich, dass selbst das Schweigen weicher wird. Ich stehe unter diesem ruhigen Sinken, und es fühlt sich an, als würde die Welt versuchen, uns zu trösten.

Vielleicht ist Schnee die Art der Zeit, uns zu sagen:
Nichts fällt wirklich.
Alles landet.

Haiku 117 – Fühllicht

Sanftes Weiß im Blick,

legt sich warm auf kalte Haut —

Winterhand berührt.


Haiku 116 – Sinkflug

Flocken ohne Ziel,

schweben wie vergessne Träume —

Luft hält sie im Arm.


Mittwoch, Dezember 03, 2025

3. Dezember 2025 – Am Atem der Weite

Die Weite wirkt heute größer. Vielleicht, weil der Schnee das Land geöffnet hat. Vielleicht, weil der Himmel selbst ein wenig näher gerückt ist.

Ich spüre, wie jeder Schritt mich tiefer in diese Stille führt. Kein Verlust, kein Schmerz — nur Weite, und ein Atem, der für mich mitatmet.

Haiku 115 – Glanzhauch

Himmelsblasses Licht,

streift die müden Horizonte —

Wind trägt zarte Spuren.


Haiku 114 – Feldruh

Eis auf weitem Land,

kein Laut, nur ferne Stille —

Raum im weißen Kleid.


Dienstag, Dezember 02, 2025

2. Dezember 2025 – Unter dem reinen Himmel

Der Himmel ist heute ungewöhnlich klar, fast unbedeckt. Die Welt wirkt entrückt in diesen reinen Farben, als hätte sie sich selbst gelöst von allem, was zu schwer war.

Ich trete in den ersten dünnen Schnee. Er trägt mich, kaum, aber er trägt. Und das genügt, um zu wissen: Auch die zartesten Dinge können halten.

Haiku 113 – Spur

Zwei Schritte im Schnee,

führen fort und bleiben doch —

Weg wird durch Gehen.


Haiku 112 – Tauglanz

Frost taucht in das Laub,

wie ein Silbertraum im Licht —

Morgen ohne Hast.


Montag, Dezember 01, 2025

1. Dezember 2025 – Im ersten Winterlicht

Der Winter kommt ohne Laut. Er tritt nicht ein, er erscheint. Ein feiner Hauch nur, ein Schimmer an den Rändern der Welt. Und plötzlich ist alles verwandelt: der Atem sichtbarer, das Licht tiefer, das Herz ruhiger.

Ich stehe im ersten Morgen dieses Monats, und er fühlt sich an wie ein leises Aufatmen. Der November hat mich müde gemacht. Doch heute, in der klaren Kälte, keimt ein neuer Funke. Vielleicht beginnt Hoffnung immer im Stillsten.

Haiku 111 – Glutkern

Unter allem Weiß

glimmt ein stilles Feuer noch —

Wärme im Versteck.


Haiku 110 – Ankunft

Erstes Winterlicht,

legt sich sanft auf kahle Äste —

Neuanfang im Frost.


Sonntag, November 30, 2025

30. November 2025 – Der leise Vorabend des Winters

Der Monat endet, doch nichts schließt sich. Der November verneigt sich, wie ein alter Freund, der weiß, dass sein Abschied nicht endgültig ist.

Ich spüre die Nähe des Winters, aber auch die Wärme, die dieser Nähe innewohnt: jene seltsame Gewissheit, dass jedes Ende ein Tor ist, und das Dunkel nur die Form ist, in der das Licht seine Ankunft vorbereitet.

Ich atme tief, die Luft schneidet, doch sie trägt auch Süße. Und in diesem einen Atemzug weiß ich:
Das Kommende ist nicht schwer.
Es ist nur neu.

Haiku 109 – Nordglanz

Kalter Himmel weit,

über Feldern schwebt ein Schein —

Anfang naht im Frost.


Haiku 108 – Goldrest

Letzter Funken Licht

hängt am Abendhimmel fest —

Tag stirbt ohne Schmerz.


Samstag, November 29, 2025

29. November 2025 – Am Tor zur Stille

Ich stehe an einer Kreuzung, an der ich schon oft stand, doch heute trägt sie einen anderen Atem. Alles ist stiller, tiefer. Als gäbe es einen unsichtbaren Übergang, der nur im November sichtbar wird.

Die Luft ist klar, die Welt leer von Geräuschen. Und in dieser Klarheit erkenne ich: Stille ist kein Fehlen, sondern ein Raum. Und in diesem Raum beginnt das Leben erneut, ganz klein, ganz vorsichtig — aber mit unendlicher Kraft.

Haiku 107 – Stufe

Kalter Treppenstein,

trägt die Schatten meiner Schritte —

Zeit hält still für mich.


Haiku 106 – Fließlicht

Im Kanal das Licht,

zittert auf dem dunklen Strom —

Abend löst sich sacht.