Donnerstag, November 13, 2025

13. November 2025 – Am Rand des Vergessens

Ich sitze am Feuer, und das Knistern erinnert mich an Stimmen, die längst verklungen sind. Der Rauch zieht aufwärts, verwebt sich mit dem Abend. So lösen sich auch Erinnerungen — nicht verschwinden sie, sie steigen nur höher, ins Unsichtbare.

Vielleicht ist Erinnerung kein Besitz, sondern eine Bewegung: etwas, das uns verlässt, um uns zugleich zu tragen. Und manchmal — in einem flackernden Moment — kehrt sie zurück als Licht auf unserer Haut.

Haiku 075 – Flamme

Im Kamin ein Laut,

wie von altem Holz erzählt —

Wärme aus der Zeit.


Haiku 074 – Faden

Spinne webt ihr Netz,

zwischen zwei vergessnen Zweigen —

Licht fängt sich darin.


Mittwoch, November 12, 2025

12. November 2025 – In den Gärten der Müdigkeit

Heute liegt eine sanfte Erschöpfung über der Welt. Selbst die Farben scheinen müde, als wollten sie sich hinlegen auf das graue Tuch der Zeit. Ich gehe langsam durch einen verlassenen Park, und alles flüstert vom Ende.

Aber in der Mitte dieses Endes ruht etwas Kostbares: ein Gefühl von Frieden. Der November bringt keine Tränen, er bringt die Einsicht, dass jedes Vergehen ein Teil des großen Atems ist.

Haiku 073 – Kerngold

Apfel fällt, zerspringt,

sein Duft bleibt noch im Schatten —

Süße Nachklangzeit.


Haiku 072 – Schleife

Wind dreht altes Laub,

als übte er Erinnerung —

Tanz der Vergängnis.


Dienstag, November 11, 2025

11. November 2025 – Im Schweigen des Lichts

Es ist ein Tag aus Glas. Alles schimmert, doch nichts klingt. Der Frost hat selbst den Atem der Erde gefangen, und in dieser Starre offenbart sich eine seltsame Schönheit — die Schönheit des Aushaltens.

Ich bleibe stehen und sehe, wie das Licht in winzigen Kristallen spielt. Es ist kaum Bewegung, kaum Leben — und doch, etwas darin lebt. Vielleicht ist es das, was Hoffnung wirklich meint: nicht der Ausbruch, sondern das stille Beharren im Dasein.

Haiku 071 – Ferne

Horizont erbleicht,

ein letzter Vogel schweigt dort —

Abschied ohne Wort.


Haiku 070 – Frost

Zweig trägt stillen Glanz,

Eiskristalle singen leis —

Tag atmet im Blau.


Montag, November 10, 2025

10. November 2025 – Am Rand der Erinnerung

Heute hallt die Welt. Jeder Klang trägt Spuren von Vergangenem — das Lachen, das nicht mehr klingt, der Weg, der endete. Doch in der Tiefe jedes Verlustes liegt auch eine Tür: wer hindurchgeht, findet Stille, und wer in der Stille bleibt, erkennt sich selbst.

Und aus dieser Erkenntnis wächst, fast unmerklich, Hoffnung.

Haiku 069 – Klang

Fern die Glocke ruft,

durch den Nebel unbeirrt —

Zeit verliert ihr Maß.


Haiku 068 – Schweigen

 Ein Hund bellt im Tal,

dann wieder nichts als Stille —

Herz hört weiter zu.


Sonntag, November 09, 2025

9. November 2025 – Hinter dem Grau

Der Morgen trägt kein Gesicht. Alles ist Schleier, Atem, Gedächtnis. Und doch: In dieser formlosen Welt ist jedes Geräusch ein Zeichen des Lebens. Der eigene Atem, das ferne Rufen eines Vogels — Beweise, dass wir noch da sind.

Vielleicht ist das genug. Vielleicht muss man im Grau nur lange genug stehen, um das Licht darin wiederzufinden.

Haiku 067 – Atem

Mein Hauch steigt empor,

verliert sich im Nebelmeer —

doch bleibt er ein Teil.


Haiku 066 – Bruch

Ast splittert im Frost,

der Klang bleibt lange im Wind —

Zerfall klingt nach Lied.


Samstag, November 08, 2025

8. November 2025 – Im Zimmer der Dämmerung

Die Dunkelheit kommt früher jetzt, als wolle sie sich selbst ausbreiten über das, was war. Ich sitze am Fenster, sehe das Licht verlöschen, und höre, wie der Regen leise erzählt.

Im Zimmer der Dämmerung ist nichts laut. Doch in dieser Lautlosigkeit beginnt die Seele zu flüstern. Sie spricht von Frieden, nicht vom Ende. Vom Ruhen, nicht vom Verschwinden.

Und draußen, hinter den Wolken, bleibt das Licht. Geduldig.

Haiku 065 – Kreis

Ein Blatt dreht sich sacht,

im Strudel eines Bachs fort —

Kreise schließen sich.


Haiku 064 – Wachs

Kerze tropft ins Glas,

Wachs fließt wie vergangne Zeit —

duftend, warm und still.


Freitag, November 07, 2025

7. November 2025 – Im Rückgrat der Tage

Manchmal scheint der November kein Monat, sondern eine Prüfung zu sein. Die Bäume stehen nackt, die Erde schweigt, und selbst die Gedanken sind schwer geworden. Doch irgendwo zwischen Kälte und Müdigkeit wächst etwas Unerwartetes — eine stille Stärke, die nichts beweisen muss.

Der Himmel bricht auf für einen Atemzug, und durch den Spalt fällt ein Strahl aus reinem Licht. Es reicht, um weiterzugehen.

Haiku 063 – Flügel

Im Nebel ein Schwarm,

zieht lautlos nach Norden fort —

Licht folgt ihrer Spur.


Haiku 062 – Tau

Kalter Tau im Gras,

wie Tränen, die verweilen —

morgen schmilzt ihr Glanz.